Samstag, 20. Juli 2013

20.07.2013

Hey. Um mich kurz vorzustellen...Meinen Namen verrat ich dir nicht, aber nenn' mich Alice. Ich bin 168cm groß und ich bin fett. Das zu meiner Wenigkeit. Nun möchte ich dir erzählen, wie alles angefangen hat.
Meine Mutter war 19 als sie mit mir schwanger wurde. Ich war natürlich ein Unfall. Mein Vater war glaube ich 20. Sie haben geheiratet und nach meiner Geburt fing mein Vater an, immer mehr zu trinken. Er warf Dinge nach uns. Er wurde aggressiv. Mir tat er nie was an, aber meiner Mutter schon. Manchmal sind wir zusammen ins Krankenhaus gefahren, wegen einer gebrochenen Hand, weil er sie an denTür-Rahmen drückte. Manchmal sah ich, wie er sie schlug. Manchmal machten wir in die Badewanne, weil er betrunken auf der Toilette eingeschlafen war. Manchmal hörte man dann Nachts ein lautes RUMS, da war er vom Klo gefallen. Aber meistens war er weg. Mein kleiner Bruder kam später zur Welt. Das machte vieles noch komplizierter. Ich hatte mir immer einen kleinen Bruder gewünscht. Naja meine Mutter ging arbeiten und mein Vater lag betrunken auf der Couch. Also war ich oft für ihn zuständig. Der Tag kam, mein Vater war wieder im Keller und es war laut. Meine Mutter wollte zu ihm herunter gehen und sagte zu mir, dass ich die Polizei rufen muss, wenn sie nicht zurück kommt. Doch sie kam. Und er auch. Und sie schrien sich an. Mein Bruder und ich weinten. Wir packten unsere Sachen und liefen fort. Er wollte noch die Tür aufreißen, aber wir waren schneller und er konnte nur noch gegen das Auto treten. Wir wohnten ein halbes Jahr bei meiner Oma, bis wir schließlich eine Wohnung fanden. Mein Vater ließ sich kündigen, um keinen Unterhalt zahlen zu müssen. Wie das Schicksal so fiel, war einer unserer Nachbarn mit meinem Vater befreundet und verriet ihm unseren Aufenthalt. Er stand fast jeden Tag am Fenster und drohte uns. Ich machte mir Vorwürfe. Allein für meine Existenz, für meine Geburt. Mittlerweile hat es aufgehört.
Ich war 10 Jahre alt. Ich kam auf die Realschule. Ich war das kleine fette, komische Mädchen mit den fettigen Haaren, das sich nicht wehren konnte. Die typische Opfer-Rolle. Ich fing an mich zu verletzen. Es war zuerst nicht so schlimm. Bloß ein paar Schnitte mit der Glasscherbe im Arm. Ich hatte ein aggressives Kaninchen, dem ich die Schuld zuschieben konnte.Doch es wurde schlimmer. Meine Mum schleppte mich zu einem Arzt. Er sagte ich müsse sofort stationär in Behandlung. So kam ich in eine Tagesklinik. Ich war dort glücklich und so wurde ich bald entlassen. Danach kamen die Depressionen wieder. Ich war oft in Therapien, bei Psychatern und in irgendwelchen Kliniken. Vor zwei Jahren lernte meine Mutter einen Mann kennen - nennen wir ihn Andreas. Er war recht jung. Sie zogen zusammen. Ich wurde immer dicker. Er sagte zu mir, dass ich nicht die einzige im Haus sei und dass ich nicht alles wegfressen solle. Und er hatte Recht. Die Kinder aus meiner Schule, sie hatten alle Recht. Ich war dick. Ich war hässlich. Ich bin es immernoch. So entwickelte sich meine Essstörung. Ich habe weniger gegessen, aber nach einer weile war das nicht mehr genug. Also hab ich es einfach ganz gelassen. Und dann riss der Faden der Selbstbeherrschung und ich bekam einen Fressanfall nach dem anderen. Ich nahm zu, dann ab, wieder zu, wieder ab...
Als meine erste Beziehung zu Bruch ging, fastete ich das erste Mal eher unfreiwillig für drei Tage. Mir war einfach schlecht, ich hätte nichts runter bekommen, selbst wenn ich es gewollt hätte. Damals führte ich Tagebuch auf elementgirls.de. Dort folgte mir ein ebenfalls essgestörtes Mächen, die mich an Pro Ana heranführte. Meine zweite Beziehung entstand durch die erste. Er schlug mich, machte mich immer wieder fertig. Doch das war gut. Ich lernte dadurch kühler zu sein. Ich lernte zurück zu schlagen und erst danach hinzufallen. Jedenfalls entstand durch ihn ein ziemliches Chaos. Es wurden Gerüchte verbreitet, meine beste Freundin wendete sich von mir ab und jeder, der wusste wie es mir ging, meinte ich solle mich doch umbringen, das interressiere doch sowieso niemanden. Als er dann Schluss machte und ich auch sonst niemanden mehr auf meiner Seite hatte, dachte ich, wenn ich jetzt sterbe, ist es auch egal. Hierbleiben und nichts tun wollte ich jedenfalls nicht. Sie haben den Krankenwagen gerufen und nach einer Nacht mit Saugknöpfen an er Brust und einem Pieps-Geräusch im Krankenhaus, wurde ich in die Klinik eingewiesen. Diesmal nicht nur von morgens bis nachmittags sondern rund um die Uhr. Aber als ich erst mal von der Geschlossenen weg war und eine Woche auf der offenen Station vergangen war, durfte man, solange man brav war, am Wochenende und an besonderen Anlässen nach Hause. Die Klinik brachte Ordnung in mein Leben. Jeder Tag war durchgeplant. Feste Ruhezeiten, Therapie-Zeiten und Termine, Feste Esssenszeiten und auch die Mahlzeiten wurden in der Woche vorher angekreuzt und waren somit planbar. Ich war stabil und habe mich gefühlt wie ein Ana-Profi. Auf der Geschlossenen lernte ich meinen dritten Freund kennen. Er hat mich auf der Offenen in den Ausgängen ständig besucht. Wir waren sieben Monate zusammen, aber dann hatte ich irgendwie keine Gefühle mehr für ihn und ich hab ihn verlassen. 
Und nun bin ich da wo ich bin.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen