Hey. Um mich kurz vorzustellen...Meinen Namen verrat ich dir nicht, aber nenn' mich Alice. Ich bin 168cm groß und ich bin fett.
Das zu meiner Wenigkeit. Nun möchte ich dir erzählen, wie alles
angefangen hat.
Meine
Mutter war 19 als sie mit mir schwanger wurde. Ich war natürlich ein
Unfall. Mein Vater war glaube ich 20. Sie haben geheiratet und nach
meiner
Geburt fing mein Vater an, immer mehr zu trinken. Er warf Dinge nach
uns. Er wurde aggressiv. Mir tat er
nie was an, aber meiner Mutter schon. Manchmal sind wir zusammen ins
Krankenhaus gefahren, wegen einer gebrochenen Hand, weil er sie an
denTür-Rahmen drückte. Manchmal sah ich, wie er sie schlug. Manchmal
machten wir in die Badewanne, weil er betrunken auf der Toilette
eingeschlafen war. Manchmal hörte man dann Nachts ein lautes RUMS, da
war er vom Klo gefallen. Aber meistens war er weg. Mein kleiner Bruder
kam später zur Welt. Das machte vieles noch komplizierter. Ich hatte mir
immer einen kleinen Bruder gewünscht. Naja meine Mutter ging
arbeiten und mein Vater lag betrunken auf der Couch. Also war ich oft
für ihn zuständig. Der Tag
kam, mein Vater war wieder im Keller und es war laut. Meine Mutter
wollte zu ihm herunter gehen und sagte zu mir, dass ich die Polizei
rufen muss, wenn sie nicht zurück kommt. Doch sie kam. Und er auch. Und
sie schrien sich an. Mein Bruder und ich weinten. Wir packten unsere
Sachen und liefen fort. Er wollte noch die Tür aufreißen, aber wir waren
schneller und er konnte nur noch gegen das Auto treten. Wir wohnten ein
halbes Jahr bei meiner Oma, bis wir schließlich eine Wohnung fanden.
Mein
Vater ließ sich kündigen, um keinen Unterhalt zahlen zu müssen. Wie das
Schicksal so fiel, war einer unserer Nachbarn mit meinem Vater
befreundet
und verriet ihm unseren Aufenthalt. Er stand fast jeden Tag am Fenster
und drohte uns. Ich machte mir Vorwürfe. Allein für meine
Existenz, für meine Geburt. Mittlerweile hat es aufgehört.
Ich war
10 Jahre alt. Ich kam auf die
Realschule. Ich war das kleine fette, komische Mädchen mit den fettigen
Haaren, das sich nicht wehren konnte. Die typische Opfer-Rolle. Ich fing
an mich
zu verletzen. Es war zuerst nicht so schlimm. Bloß ein paar Schnitte mit
der Glasscherbe im Arm. Ich hatte ein aggressives Kaninchen, dem ich
die Schuld zuschieben konnte.Doch es wurde
schlimmer. Meine Mum schleppte mich zu einem Arzt. Er sagte ich müsse
sofort stationär in Behandlung. So kam ich in eine Tagesklinik. Ich war
dort glücklich und so wurde ich bald entlassen. Danach kamen die
Depressionen wieder. Ich war oft in Therapien, bei Psychatern und in
irgendwelchen Kliniken. Vor zwei Jahren lernte meine Mutter einen
Mann kennen - nennen wir ihn Andreas. Er war recht jung. Sie zogen zusammen. Ich wurde immer
dicker. Er sagte zu mir, dass ich nicht die
einzige im Haus sei und dass ich nicht alles wegfressen solle. Und er hatte Recht. Die Kinder aus meiner Schule, sie
hatten alle Recht. Ich war dick. Ich war hässlich. Ich bin es
immernoch. So entwickelte sich meine Essstörung. Ich habe weniger
gegessen, aber nach einer weile war das nicht mehr genug. Also hab ich
es einfach ganz gelassen. Und dann riss der Faden der Selbstbeherrschung
und ich bekam einen Fressanfall nach dem anderen. Ich nahm zu, dann ab,
wieder zu, wieder ab...
Als meine erste Beziehung zu Bruch ging,
fastete ich das erste Mal eher unfreiwillig für drei Tage. Mir war
einfach schlecht, ich hätte nichts runter bekommen, selbst wenn ich es
gewollt hätte. Damals führte ich Tagebuch auf elementgirls.de. Dort
folgte mir ein ebenfalls essgestörtes Mächen, die mich an Pro Ana
heranführte. Meine zweite Beziehung entstand durch die erste. Er schlug
mich, machte mich immer wieder fertig. Doch das
war gut. Ich lernte dadurch kühler zu sein. Ich lernte zurück zu
schlagen und erst danach hinzufallen. Jedenfalls entstand durch ihn ein
ziemliches Chaos.
Es wurden Gerüchte verbreitet, meine beste Freundin wendete sich von mir
ab und jeder, der wusste wie es mir ging, meinte ich solle mich doch
umbringen, das interressiere doch sowieso niemanden. Als er dann Schluss
machte und ich auch sonst niemanden mehr auf meiner Seite hatte, dachte
ich, wenn ich jetzt sterbe, ist es auch egal. Hierbleiben und nichts
tun wollte ich jedenfalls nicht. Sie haben den Krankenwagen gerufen und
nach einer Nacht mit Saugknöpfen an er Brust und einem Pieps-Geräusch im
Krankenhaus, wurde ich in die Klinik eingewiesen. Diesmal nicht nur von
morgens bis nachmittags sondern rund um die Uhr. Aber als ich erst mal
von der Geschlossenen weg war und eine Woche auf der offenen Station
vergangen war, durfte man, solange man brav war, am Wochenende und an
besonderen Anlässen nach Hause. Die Klinik brachte Ordnung in mein
Leben. Jeder Tag war durchgeplant. Feste Ruhezeiten, Therapie-Zeiten und
Termine, Feste Esssenszeiten und auch die Mahlzeiten wurden in der
Woche vorher angekreuzt und waren somit planbar. Ich war stabil und habe
mich gefühlt wie ein Ana-Profi. Auf der Geschlossenen lernte ich meinen
dritten Freund kennen. Er hat mich auf der Offenen in den Ausgängen
ständig besucht. Wir waren sieben Monate zusammen, aber dann hatte ich
irgendwie keine Gefühle mehr für ihn und ich hab ihn verlassen.
Und nun bin ich da wo ich bin.